So etwas wie ein Vorwort
|
Ich bin noch mit ihr gefahren, mit der alten Hamburger Straßenbahn.
Morgens als Azubi zur Arbeitsstelle in den Grindelhochhäusern.
Es muß der Winter 1977/1978 gewesen sein. Jedenfalls erinnere ich mich an
viele Fahrten in Kälte und Dunkelheit quer durch die Hamburger City in
diesen doch unkomfortablen, rumpeligen Wagen mit ihren immer kalten
26 Sitzen aus blankem Durofol.
Zu diesem Zeitpunkt habe ich diese „Oldtimer“ wirklich nicht geliebt. Sie schienen bereits zum Ende der 70er Jahre aus der Zeit gefallen und in die Jahre gekommen; gnadenlos auf Verschleiß gefahren und von der Politik auf das Abstellgleis geschoben. Als kleiner Junge Anfang der 60er kann ich mich jedoch an viele Fahrten mit der Linie 16 zur Endstation Hagenbecks Tierpark erinnern; an junge Schaffnerinnen mit kecken Hütchen im Heck der Wagen. In unmittelbarer Nähe der Wendeschleife vor dem imposanten Eingangsportal des Tierparks wohnte meine Lieblingsoma in einer Schrebergartenkolonie ohne fließend Wasser und mit Plumpsklo auf dem Grundstück. Ich hatte immer die Sorge, den Zeitpunkt des Ausstiegs zu verpassen und von meiner Mutter durch das Schließen der Türen getrennt zu werden. Wahrscheinlich war ich ein Schisser, dem die eigenen Hosen immer viel zu kurz erschienen. Aber die Hamburger Straßenbahn war eine Institution wie die Hamburger U-Bahn. Soviel zu meiner Sozialisation mit der Hamburger Straßenbahn und ihren markanten Wagen. Die Faszination für diese, im Falkenried nach Schweizer Vorbild gebauten Vehikel hat mich nie wirklich losgelassen und so beschloss ich im Winter 2017 einen Straßenbahnwagen nach dem Vorbild der Hamburger Straßenbahn im LGB-Maßstab 1 : 22,5 zu bauen. Dies war ein sehr ambitioniertes Vorhaben von dessen Erfolg ich anfangs nicht ansatzweise überzeugt war. Es war vorgesehen, die Karosserie überwiegend aus Sperrholz (3 mm) zu fertigen. Türen, Fenster und Spezialteile (?) sollten mittels eines aus einem Bausatz erstellten 3D-Druckers der Marke „vellemann“ und die wesentlichen Deko-Elemente am PC erstellt werden. Die Wahrscheinlichkeit des Scheitern war relativ hoch, obwohl ich bereits einige Erfahrung bei der Erstellung von Straßenbahnmodellen der Spanischen Firma OCCRE vorweisen konnte. Den letzten Stein des Anstoßes lieferte eine sehr gute maßstäbliche Darstellung eines Modellbauers aus dem Internet (vielen Dank dafür), die ich auf den Maßstab 1 : 22,5 umgerechnet habe. Zudem hatte ich das Glück, dass in einem Baumarkt in Hamburg Niendorf (einem ehemaligen Straßenbahndepot) eine leidlich restaurier-te Hamburger Straßenbahn direkt in Augenschein zu nehmen ist/war. Viele Fotos - auch von der Rolltreppe in das erste Obergeschoss (Details zu den Dachaufbauten) - haben letztendlich zum Gelingen des Projektes beigetragen. Aber sehen Sie selbst, ob ich den Mund etwas zu voll genommen habe, und der Versuch als eher so „mittel“ zu bewerten ist. Ich bin jedenfalls ein wenig stolz auf meine Hamburger Straßenbahn, mit der ich gern wieder fahren würde. Trotz aller „Rumpeligkeit“ würde sie dem Klima gut tun. |
![]() Dies sind ein paar Impressionen aus der Zeit, als die Straßenbahn noch zum Stadtbild der Hansestadt gehörte. Leider konnte ich keinen der Fotografen der jeweils mindestens 40 Jahre alten Fotos ermitteln - mir ging es aber darum, den historischen Aspekt dieser Fahrzeuge zu dokumentieren, was mir mangels eigener Fotos aus der Zeit natürlich nicht möglich ist. Gleichwohl rufe ich die Fotografen auf, sich wegen der Copyright-Fragen bei mir zu melden (siehe Kontakt). |
![]() Leider gibt es keine früheren Fotos; der Anfang war schwer und nicht sonderlich ermutigend. Hier sind bereits die beiden Fahrzeugenden eingepasst. Wäre der Übergang vom Wagenkasten zum Fahrerstand und dem Fahrzeugende fehlgeschlagen, wäre viel Laubsägearbeit für die Tonne gewesen. |
![]() Auch als das Dach den Wagenkasten nach oben abschloss, war ich nicht wirklich davon überzeugt, auf einem guten Weg zu sein. Das Dach wirkte einfach zu plump, obwohl die Maße stimmig waren. Auf dem nachfolgenden Originalfoto der Hamburger Straßenbahn aus dem Baumarkt in Hamburg ist die Struktur des Wagenkastens mit seinen Vertsärkungen und Verstrebungen gut zu erkennen. |
![]() Leider ist die Tram mittlerweile zwischen den Waren des Baumarktes derart eingepfercht, dass schöne Aufnahmen nicht mehr möglich sind. Immer ragt irgendein Produkt in das Bild hinein. Dies war zunächst deutlich anders und die aktuelle Präsentation wird derm Objekt nicht mehr gerecht, was sehr schade ist. Leider scheint es auch kein Nutzungskonzept für den Innenraum der Tram zu geben, was irgendwie auch wieder eine vertane Chance ist. |
![]() Positiv für den Modellbauer ist natürlich, dass man vom Obergeschoss und der Rolltreppe des Baumarktes eine gute Sicht auf die Dachaufbauten hat. Ansonsten wird deutlich, auf welch verlorenem Posten die Tram da steht. |
![]() Das in etwa vorbildgetreues Fahrzeugende - zumindest was den Ruhebügel für abgesenkte Stromabnehmer in Betriebspausen anbelangt. |
![]() Hier der so charakteristische Rollenstromabnehmer, der gern und oft vom Fahrdraht absprang und vom Fahrer wieder eingehängt werden musste. Die Hamburger Straßenbahn war übrigens die letzte Gesellschaft in Deutschland, die bis zum Betriebsende 1978 mit diesen Stromabnehmern fuhr. |
![]() Das Foto entstand bei der Vorbeifahrt auf der Rolltreppe mit knallroten Besen als Staffage im Hintergrund. |
![]() So langsam wird das Modell seinem Vorbild etwas ähnlicher, wobei die Dachaufbauten für die diversen Anzeigen durch das massive Holz immer noch zu dominant wirken. Es fehlt hier noch die Aussparung für den einzigen Scheinwerfer. |
![]() Zum Vergleich der Fahrerstand des Vorbildes mit der so typische schmalen Frontpartie und dem einsamen Scheinwerfer |
![]() Kleinteile für Blinker und Leuchten sowie der Rohbau des Fanggitters zur Montage unter dem Fahrerstand. Dieses Fanggitter konnte abgesenkt werden, um das Überfahren von Personen zu verhindern. |
![]() Das Fahrwerk wurde ebenfalls in Holzbauweise erstellt. Für die Räder wurden Radsätze der Firma Pico verwendet, die nahezu exakt den Maßen des Vorbildes entsprachen. Wie man deutlich sehen kann, besitzt das Modell keinen Antrieb - ist also nur für die Vitrine gedacht. Da steht es auch mittlerweile. Im Original hatte jeder Triebwagen vier Motoren mit jeweils 50 kW - dies entspricht etwa insgesamt flotten 270 PS. |
![]() Und so sieht das Ganze aus, wenn ein Modellbauer das Original zumindest in groben Zügen nachempfinden will. Zum Vergleich das nächste Foto mit den Spinweben und Gebrauchsspuren des Vorbildes. |
![]() Es bestätigt sich auch bei dieser Aufnahme, dass die Fahrzeuge bei ihrer Außerdienststellung ihre besten Zeiten bereits weit hinter sich gelassen hatten. |
![]() Dieses Foto zeigt die erste "Anprobe" der Türen. Es gab Türen mit einer durchgehenden Scheibe pro Türflügel oder zwei kleineren Scheiben pro Türflügel. Aus "produktionstechnischen" Gründen habe ich mich für die erste Variante entschieden. Dazu kommt, dass unser Modell dem Triebwagen 3614 nachempfunden ist, der mit eben diesen Türen und der markanten Holsten-Werbung bis zu seiner Verschrottung 1990 im Heidepark Soltau zu sehen war. |
![]() Erste "Anprobe" der per 3D-Drucker erstellten großen Fenster des Wagenkastens. Der Druck eines solchen Fensters dauerte ca. 7 Minuten - und leider gab es dabei auch noch Ausschuß. |
![]() Ein Screen-Shot des CAD-Programms zur Erstellung der Fenster und anderer filigranen Teile (Scheibenwischer, Haltegriffe, Unterfahrgitter...) am PC. |
![]() So wurde das fertige Fanggitter unter dem Fahrerstand montiert..... |
![]() .....und so sieht es im Original aus. Eine etwas staubige Angelegenheit. |
![]() Im Bild ist das Modell zu sehen, wie es abgeklebt auf die weiteren Schichten der roten Lackierung wartet. Insgesamt habe ich 10 Schichten pro Farbe mit den entsprechenden Trocknungspausen aufgetragen. Dazu habe ich handelsüblichen Seidenglanz-Lack aus der Spraydose verwendet. Für den roten Farbton war es RAL 3000 und für die beige Lackierung des oberen Wagenkastens die RAL-Farbe 1015. Im Original soll die Hamburger Straßenbahn für den oberen Wagenkasten die RAL-Farbe 1001 verwendet haben. Ein Abgleich mit dem Farbfächer ergab allerdings, dass Beige doch sehr dunkel wirkt, zumal auf Fotos eher ein gelblicher Farbton erkennbar ist. Insofern ist das "Hellelfenbein" ein (guter?) Kompromiss. |
![]() Trotz aller Spachtelei sind auch nach der Lackierung noch Poren des Holzes erkennbar. Dies finde ich aber nicht so dramatisch, da für mich nur der Gesamteindruck zählt. Und der verbessert sich mit jedem Bearbeitungsschritt. |
![]() Es wird Schritt für Schritt besser, langsam gefällt mir, was ich sehe..... |
![]() .....dies trifft auch für die Anzeigeobjekte zu. Den Inhalt der Falkenried-Anzeige (die Werkstatt, die die Wagen baute) musste ich im Detail am PC nachbauen. |
![]() Aus dem 3D-Drucker entstammt auch das Unterfahrgitter..... |
![]() .....das Unfälle von der Seite vermeiden oder zumindest abmildern sollte. So filigran, wie das Ding aussieht, ist zumindest zweifelhaft, ob dies auch gelang. |
![]() Viele kleine Details sind bereits montiert..... |
![]() .....so dass das Wagenende dem Vorbild wieder ein Stück näher gekommen ist (linkes Foto). Auf der rechten Seite sind die Türen zu sehen, die es galt, so naturgetreu wie möglich nachzubilden. |
![]() Und hier das Ergebnis meiner Bemühungen. Eine Mischung aus Sperrholz und Teilen aus dem 3D-Drucker. Mit dem Ergebnis bin ich wirklich zufrieden - erstmalig. |
![]() Nun ist er also fertig, der im Original 14,88 m lange vierachsige Wagen (daher die Typenbezeichnung V), der in Hamburg im Volksmund den Namen "Sambawagen" bekam. Diese Bezeichnung erhielt er, da sich die überwiegend stehenden Fahrgäste auf Grund der starken Anfahrbeschleunigungen und der ebenso starken Bremsverzögerungen ständig in Bewegung befanden und ihre Schritte dabei den gerade modernen Samba-Schritten ähnelten. Unser Modell hat eine schwarze Linien-Nummer, was nicht korrekt ist. Ein Zug ohne Beiwagen hatte in Hamburg eine rote Linien-Nummer, um den Fahrgästen schon von Weitem zu signalisieren, dass nur ein Triebwagen ohne Anhänger einfährt. Eine beige "Bauchbinde" (siehe Fotos oben) sollte den Fahrgästen fühzeitig signalisieren, dass ein sog. Einmannwagen (ohne Schaffner im Heck des Wagens) unterwegs ist. |
![]() Unser Modell im Masstab 1 : 22,5 hat eine beachtliche Länge von ca. 60 cm. Dies entspricht dem Masstab des Herstellers LGB (Märklin) mit seiner Gartenbahn. Leider wurden viele Fahrzeuge nach der Außerdienststellung einfach verschrottet. So auch unser Vorbild TW 3614. Der Triebwagen im Baumarkt, den wir ausführlich fotografiert haben, gehört einem Privatmann aus Buchholz in der Nordheide. Ein fahrfähiges Exemplar (TW 3657) gibt es gemäß Internet im Straßenbahnmuseum in Skjoldenaesholm in Dänemark nahe Kopenhagen und mit TW 3361 (fahrfähig?) auch ein TW im VVM Schönberger Strand nahe Kiel. Leider sind die Exemplare, die ihren Weg in das Straßenbahnmuseum in Wehmingen (nahe Hannover) gefunden hatten zum großen Teil verrottet. Lediglich der TW 3363 wurde von einem Privatmann gerettet und steht nun bei REWE in Hamburg auf einem überdachten Supermarktparkplatz. zurück |